Verfassungsgeschichte Hannovers

Nach der Wiederherstellung des Landes Hannover wurde am 9. November 1813 alle französisch-westfälischen Würden und Ämter zurückgenommen und die Gewaltenteilung rückgängig gemacht. Am 23. August 1814 wurde dann acuh das fortschrittliche westfäliche Regierungssystem für ungültig erklärt.

Im Leineschloß zu Hannover trat darauf, am 15. Dezember 1814, eine provisorische Allgemeine Ständeversammlung zusammen. Diese vertrat das ganze Königreich unter Fortbestand der Provinziallandschaften. Sie hatte sehr mit den Sonderinteressen des Adels zu kämpfgen, dessen beherrschender Einfluß in vollem Umfang wieder hergestellt war. Allerdings wurde am 17. Dezember 1819 eine vom König oktroyierte Verfassung eingeführt, die nun die bisherige Ständeversammlung ablöste. Mit ihr wurde ein Zweikammersystem eingerichtet. Die erste Kammer wurde völlig vom Grundbesitzenden Adel, die zweite von den Städten beherrscht. Der Bauernstand war in keiner der beiden Kammer vertreten.

Zwar besuchte Georg IV. als Prinzregent 1821 Hannover und wurde nach 66jähriger Abwesenheit des Herrschers im Land mit Jubel empfangen; aber er unternahm nichts, um einer modernen, fortschrittlichen Entwicklung den Weg freizumachen. Im Gegenteil: Der Rücktritt des liberalen Geheimen Kabinettrates August Wilhelm Rehberg im Jahre 1821 besiegelte den Sieg der Adelskreise. Deren geistiger Führer war der reaktionäre Ernst Herbert Reichsgraf von Münster. Ihm gegenüber stand die Opposition unter Carl Stüve. Ihre Ziele waren die Entlastung des Bauernstandes und die Beteiligung der Bürger und Landbewohner an der Macht. Nach der Pariser Julirévolution, Aufständen im Nachbarland Hessen-Kassel (Kurhessen), folgten kleinere Unruhen in Osterode und Göttingen. Dies veranlaßte den gerade an die Regierung gelangten König Wilhelm IV. zum Einlenken: Im folgenden Jahr wurde der Ministerpräsident Graf Münster entlassen und der im Lande sehr beliebte Herzog Adolf Friedrich von Cambridge zum Vizekönig und Statthalter in Hannover ernannt. 1833 traten zwei grundlegende neue Gesetze in Kraft: das von Friedrich Cristoph Dahlmann beeinflußte Staatsgrundgesetz und die hauptsäclich von Stüve gestaltete Ablöseordnung. Dies neue Staatsgrundgesetz behielt das Zweikammersystem bei, eröffnete nun aber auch Bauern neben den Bürgern den Zugang zur zweiten Kammer. Außerdem wurde eine beschränkte Ministerverantwortlichkeit eingeführt.

Im Jahr 1837 verstarb Wilhelm IV. -König von Hannover und Großbritannien- ohne leibliche Erben. Hier endete nun die Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien nach 123 Jahren. In England bestieg Queen Victoria den Thron, wo hingegen in Hannover ihr Onkel Ernst August, Herzog von Cumberland, König wurde. Er wurde zwar als kluger Politiker und tapferer Soldat bezeichnet, doch eröffnete er seine Regierung mit der Aufhebung des Staatsgrundgesetzes. Die Mitglieder der liberalen Opposition bestritten vehement, daß der König das Recht hatte, die Verfassung aufzuheben. Die meisten Staatsrechtler sahen darin einen Staatsstreich, da auch nach dem Recht des Deutschen Bundes der König nicht ohne Mitwirkung der Ständeversammlung eine bestehende außer Kraft setzen durfte. Doch Ernst August sah sich im Recht und zum Besten seines Landes handelnd; er hatte über diesen Entschluß monatelang nachgedacht. Sieben Göttinger Professoren legten nun unter Berufung auf den Diensteid Protest ein: Wilhelm Albrecht, Freidrich Christoph Dahlmann, Heinrich Ewald, Georg Gottfried Gervinus, Jacob & Wilhelm Grimm und Wilhelm Eduard Weber. Der König verfügte ihre Amtsenthebung. Dahlmann, Gervinus und Jacob Grimm wurden außer Landes verwiesen, aber auch die anderen und ein großer Teil ihrer Studenten verließen Hannover.

Erst diese Maßnahmen veranlaßten die übrigen deutschen Länder zum Protest; jedoch stellten sich Österreich und Preußen hinter Ernst August und sorgten dafür, daß alle Anträge zum Schutz des Staatsgrundgesetzes abgeschlagen wurden.

Der Streit zwischen der liberalen Opposition und der äußerst Rechten unter Johann Herrman Detmold verebbte unter gegenseitigem Nachgeben. 1840 wurde das Landesverfassungsgesetz geschaffen, das zwar an der Zusammensetzung der einzelnen Kammern wenig änderte, jedoch die Ministerverantwortlichkeit abschaffte. Dem als Reaktionär verschrieenen König gelang es überraschenderweise 1848 den Sturm der Révolution abzufangen, indem er nach englischem Vorbild den Führer der Opposition, Carl Stüve, als Innenminister in das Märzministerium des Grafen Alexander Levin von Bennigsen berief.

Nun konnte Stüve bis 1850 zahlreiche Reformen durchführen und vorbereiten: Aufhebung der Standesvorrechte, Fortfall der Zensur, Öffentlichkeit der Justiz und Verwaltung, Einrichtung von Schwurgerichten, eine neue Städteordnung und noch vieles mehr. Die erste Kammer war nun auch nicht mehr dien Domäne des Adels, sondern umgekehrt der bäuerlichen Grundbesitzer.

Nach Entlassung der Minister unter Bennigsen-Stüve (Oktober 1850) ließ Ernst August die von ihm gebilligten Reformen unter dem gemäßigten Ministerium Münchhausen in Kraft.

König Ernst Augusts Sohn und Nachfolger Georg V. war seit seinem 14. Lebensjahr blind. Er war zwar ein begabter Fürst und Förderer der Künste, aber glaubte felsenfest an sein Gottesgnadentum. Die Folge waren ein häufiger Kurswechsel und ein erheblicher Verschleiß an Ministern. Aber er führte mehrere der von Stüve eingeleiteten Reformen zu Ende. Allerdings kam es zur Unruhe in der Innenpolitik, denn die Opposition der Ritterschaft versuchte die erste Kammer wiederzuerobern. Leider stießen sie beim preußischen Bundestagsabgeordneten Graf Otto von Bismarck auf offene Ohren, der bei vertraulichen Gesprächen mit König Georg V. dafür sorgte, daß man weitestgehend zum Landesverfassungsgesetz von 18409 zurückkehrte. Die liberale Opposition unter Rudolf von Bennigsen wurde aufs schärfste verfolgt.

Nach Unruhen setzt der König dann noch einmal ein liberales Ministerium ein, bevor er 1865 wieder zu einem mehr und mehr konservativen Kurs überwechselte.

Die Schlacht bei Langensalza am 27. Juni 1866 gewannen zwar die hannöverschen Truppen, aber trotzdessen dankte der König ab, um einen größeren Krieg zu verhindern; am 3. Oktober 1866 erließ König Wilhelm II. von Preußen -unrechtmäßig- das Annexionspatent über Hannover.